"Der Luftangriff vom 27. November 1944 hat große Teile der Altstadt als Trümmerfeld hinterlas-sen. Inmitten der Ruinen ragte nahezu unversehrt das Münster auf. Viele Zeitzeugen sprachen von einem Wunder, und schon bald kursierten erste Gerüchte, das Münster sei bewusst geschont worden, ja man habe sogar die `Christbäume´ gesehen, die als Gefechtsfeldbeleuchtung auf das Münster herabschwebten, um es aus dem Bombardement auszusparen. Keiner dieser Berichte hielt einer Nachprüfung stand, und natürlich ist es ein großer Zufall, dass kein direkter Treffer die Kathedrale traf. Die emotionale Bindung der Freiburger an `ihr Münster´ wurde durch das scheinbare Wunder umso stärker. Immer wieder wird von der Hoffnung berichtet, die bei all dem Leid und aller Zerstörung in der schwer getroffenen Stadt durch den Erhalt des Münsters wach blieb. Mit Fug und Recht darf man behaupten, dass sich der Wiederaufbau der Stadt anders gestaltet hätte, wären das Münster oder sein Turm zerstört worden. Für den Freiburger Theologen, Historiker und Universitätsrektor Johannes Vincke war das Münster ein `Symbol der Hoffnung und der Verpflich-tung und damit des Willens, um gerade aus den Trümmern eine neue Zukunft bauen zu können´.
Nahezu prophetisch wirkt Reinhold Schneiders wenige Monate vor dem Bombardement verfasstes Sonett `Der Turm des Freiburger Münsters´. Es ist heute auf der Plattform des Oktogons [unter dem Turmhelm M.R.] eingemeißelt:
Steh´ unerschüttert herrlich im Gemüte, du großer Beter glaubensmächtiger Zeit! Wie Dich verklärt des Tages Herrlichkeit, wenn längst des Tages Herrlichkeit verglühte.
So will ich bitten, dass ich treulich hüte das Heilige, das Du ausstrahlst in den Streit und will ein Turm sein in der Dunkelheit, des Lichtes Träger, das der Welt erglühte.
Und sollt´ ich fallen in dem großen Sturm, so sei´s zum Opfer, dass noch Türme ragen und dass mein Volk der Wahrheit Fackel werde.
Du wirst nicht fallen, mein geliebter Turm. Doch wenn des Richters Blitze Dich zerschlagen, steig´ in Gebeten kühner aus der Erde!
Quelle: Peter Kalchthaler, Badische Zeitung, 12.10.2018 gefunden und zur Verfügung gestellt von Max Rimmelspacher
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